23. Juni 2022

Canor AI 1.10: hervorragender Test des Röhren-Verstärkers bei hifi.de

Das Online-Magazin hifi.de testet im Juni 2022 den Röhren-Vollverstärker Canor AI 1.10:

„Der Canor AI 1.10 rockt mit ernsthaftem Druck, stellt die Stimme von Sänger Dirk von Lowtzow mit dem richtigen Volumen dar und lässt Soap&Skin wie einen Engel über der gezupften Gitarrenbegleitung schweben. Wie schwer es ist, genau diese Balance zu treffen, wird erst beim Vergleich mit anderen guten, teuren Verstärkern klar: Andere Röhren wirken hier oft etwas zu ätherisch, Transistoren dagegen matt und desinteressiert.

Im Canor treffen dagegen Autorität, Feinsinn und Farben-Vielfalt zusammen, so locker und selbstverständlich, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Dabei ist genau das Gegenteil wahr: So natürlich und ungekünstelt klingen Verstärker nur nach akribischer Entwicklungs- und Abstimmarbeit. Und nie, wirklich nie, erreicht man dieses Ziel auf einer preiswerten Abkürzung. Der technische und finanzielle Aufwand ist meistens sogar bedeutend größer als beim AI 1.10.

40 Watt, die klingen wie 400
Eklatant ist beim Canor das Missverhältnis zwischen klanglicher Dynamik und Leistungsangaben. Ganz realistisch versprechen die Entwickler bescheidene 40 Watt pro Kanal. Das ist eher konservativ für die verwendete Röhrenbestückung und berücksichtigt auch die Tatsache, dass der Verstärker in besonders verzerrungsarmen, aber auch extra-ineffizienten Class-A-Modus läuft. Wir haben The Line Is A Curve von Kae Tempest trotzdem noch mit keinem Amp druckvoller und lebenspraller gehört.

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Im Höralltag mit einem mittelgroßen Raum und nicht völlig abstrusen Pegeln ist der Canor absolut souverän und durch nichts zu erschüttern.

Dass der Canor AI 1.10 mit Röhren arbeitet und dabei konsequent ohne einen Krümel Silizium im Signalweg auskommt, bindet er dem Hörer nicht auf die Nase. Sein Klang kommt ohne künstliche Wärme aus, die viele Röhrenamps als audiophilen Geschmacksverstärker über die Musik ausgießen. Umso vielfältiger sind seine Klangfarben, umso üppiger seine musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Auch die klassischen Röhrenamp-Schwächen sind weniger ausgeprägt: Der Bass wirkt ungewöhnlich straff, die Raumabbildung präziser und stabiler, als wir das von anderen, selbst guten Röhrenverstärkern kennen.

Die Verarbeitung des in der Slowakei gebauten Verstärkers ist überragend. Dickes, pulverbeschichtetes Stahlblech bildet das Gehäuse, fein gebürstetes Massiv-Alu die Frontplatte. Das große, zugleich besonders störarme Punktmatrix-Display lässt sich auch aus der Ferne bestens ablesen, ist aber für konzentrierten Musikgenuss auch dimm- und abschaltbar. Der Lautstärke-Drehknopf läuft spielfrei in einem Kugellager und fühlt sich beim Drehen so gut an, dass man ab und zu gern auf die Fernbedienung verzichtet. Aber nur ab und zu, denn auch der IR-Sender ist adäquat als kleiner Alubarren gestaltet und liegt angenehm schwer in der Hand.

Fazit
Im alltäglichen Umgang verhält sich der Canor wie ein ganz normaler Verstärker – abgesehen davon, dass er vom Einschalten bis zum ersten Ton etwa 30 Sekunden Hochfahrzeit benötigt. Dafür macht er jede Musik, die du ihm mit einer passend hochwertigen Quelle servierst, zu einem Fest aus Klangfarben, Dynamik und prickelnder Atmosphäre. Fast alles, was du danach hörst, wird kleiner, weniger intensiv und auch ein bisschen langweilig klingen. Wohlgemerkt im direkten Kontrast. Denn auch mit kleineren Anlagen kann man unglaublich viel Spaß haben. Das ändert aber nichts daran, dass der AI 1.10 seinen hohen Preis musikalisch und klanglich voll und ganz rechtfertigt.

Vorteile
+ Wunderbar natürlicher, lebendiger Klang
+ Für einen Röhren-Verstärker wenig anspruchsvoll, was Lautsprecher angeht
+ Als Monoblock mit doppelter Leistung verwendbar

Nachteile
– hoher Stromverbrauch
– keine digitalen Eingänge
– kein Pre-, Line- oder Kopfhörerausgang“

Lesen Sie hier den gesamten Test